Die Landesregierung Baden-Württemberg forcierte ab Beginn der 1970er-Jahre Bestrebungen zur Reform des öffentlichen Gemeinwesens, in deren Zuge größere leistungsfähigere Verwaltungseinheiten geschaffen werden sollten.
Karlsruhe setzte zum Sprung an und drohte mit Eingemeindungen. Eggenstein und Leopoldshafen befanden sich im Zugzwang: beide Orte sollten sehr zum ungläubigen Entsetzen ihrer Einwohnerschaft in größeren Verwaltungseinheiten aufgehen. Die Landesregierung machte Ernst mit ihren Planungen und inmitten der mit Zähneknirschen geführten erzwungenen Verhandlungen mit den Nachbargemeinden fand sich quasi in letzter Minute eine sogenannte „kleine Lösung", die mit Eggenstein und Leopoldshafen eine Fusion von lediglich zwei Gemeinden vorsah.
So geschah es, und nach der Vertragsunterzeichnung durch die Bürgermeister Emil Knobloch von Eggenstein und Hermann Uebelhör von Leopoldshafen am 17. Mai 1974 in der Aula der Eggensteiner Hauptschule trat die Gemeindefusion zum 01. Dezember 1974 in Kraft.
Anlässlich des 40. Fusions-Jubiläums 2014 schrieb Bürgermeister Bernd Stober im Amtsblatt eine Artikelserie, beginnend mit der Ausgabe Nr. 20 vom 16. Mai 2014. Die Artikel können Sie unter den folgenden Links nachlesen. Wesentliche Grundlage hierfür war der Band 2 der Geschichtsblätter von Steffen Dirschka.
Altgemeinderat Gerhard Ueberle:
40 Jahre nach der 1974 erfolgten
Fusion präsentiert sich Eggenstein-Leopoldshafen heute als moderne und
attraktive Gemeinde vor den Toren der Stadt Karlsruhe. Das gepflegte Erscheinungsbild
der Straßen, Plätze und Grünanlagen kennzeichnet ein behagliches Wohnumfeld,
das in Verbindung mit einer zeitgemäßen und bedarfsgerecht ausgebauten
Infrastruktur sowie dem hohen Freizeit- und Erholungswert der nahen Rheinauen
durchaus mit dem Prädikat ’Wohlfühlen in
Vielfalt’ umschrieben werden kann.
Seit dem Zusammenschluss wurde im
Lauf der Jahre die Palette der kommunalen Leistungen stetig ausgeweitet. Erst
ein genauerer Blick in die Gemeindekasse
zeigt aber die finanziellen Auswirkungen als Schattenseite dieser Entwicklung: Gut 15 Millionen Euro Schulden
wurden mittlerweile in den beiden Eigenbetrieben der Wasserversorgung/ Abwasserbeseitigung angehäuft.
Hinzu kommen die in der ’Mittelfristigen Finanzplanung’ aufgeführten
Vorhaben - insbesondere der Neubau eines
weiteren Kindergartens und die zur Errichtung einer Gemeinschaftsschule
erforderlichen Aufwendungen - die nach
derzeitigem Planungsstand in den kommenden drei bis vier Jahren zu einem
erneuten Kreditbedarf in vergleichbarer Höhe führen.
Mit einem Gesamt-Schuldenstand
von dann rund 30 Millionen Euro schrammt die Gemeinde Eggenstein-Leopoldshafen
jedoch hart an die Grenze ihrer Kreditwürdigkeit. Ursache und Wirkung dieses
Dilemmas dürfen deshalb jedoch bei der Spurensuche nicht durcheinander geraten. Der Blick auf ein scheinbar
unerschöpfliches Rücklagenpolster hat insbesondere die Haushaltsjahre 1987 –
1993 geprägt. Trotz vielfältiger Mahnungen hat die Ratsmehrheit damals den
Kapitalbedarf zur Sanierung und Ertüchtigung unseres erkennbar maroden
Abwassernetzes allzu lange unterschätzt und die seinerzeit dafür in
ausreichendem Maß verfügbaren Haushaltsmittel für anderweitige Projekte
ausgegeben.
Beispielhaft hierfür sind der
weit über den veranschlagten Kostenrahmen hinaus vollzogene Umbau des
Eggensteiner Rathauses und die identisch kostspielige Errichtung von zwei
Feuerwehrgerätehäusern zu nennen. Rückblickend können diese Entscheidungen
gewiss nicht zu den glücklichsten unserer Fusionsgeschichte gezählt werden.
Dass auch hier die alternativ vorgeschlagenen Varianten sinnvoller gewesen
wären, zeigen heute die in unseren Nachbargemeinden im Sinne des
Zusammenwachsens umgesetzten Gemeinschaftslösungen.
In welchem Umfang das seither
Erreichte erhalten werden kann, wird nun davon abhängen, mit welchem Resultat
die jetzt anstehenden Herausforderungen gemeistert werden. So bleibt am Ende
also nur zu wünschen, dass die zu erwartenden Einschränkungen glimpflicher, als dies
heute zu befürchten ist, ausfallen und unsere Doppelgemeinde dann im Jahr 2024
auch das 50 jährige Fusionsjubiläum trotz allem heiter und in kommunaler
Selbstverwaltung feiern kann.
Willi Hötzel, ehemaliger Hauptamtsleiter:
„Ich habe
miterlebt, wie schwierig es war, die anstehenden Entscheidungen – auch zum
Wohle der Einwohnerschaft – zu treffen. Bis zum Vollzug der gemeinderätlichen
Entscheidungen war die Verwaltung ständig im Dialog mit der Bürgerschaft.
Gerade der Aufbau einer modernen, bürgernahen Verwaltung unter der Beachtung
der Forderung der Gemeinderäte auf Wahrung des Besitzstandes des vorhandenen
Personals war nicht immer einfach. Im Frühjahr 1975 fanden mehrere Wahlen
statt, die von der nun größer gewordenen Verwaltung organisiert werden mussten.
Aber auch die Vereinheitlichung des Ortsrechts war ständiger Tagesordnungspunkt
in den Verwaltungsausschüssen und im Gemeinderat.“
Mario Schönleber, Vorsitzender des Eggensteiner Ortskartell:
„Ich bin Eggenstein-Leopoldshafener! - Als ich 1968 nach
Eggenstein gezogen bin, war Leopoldshafen der Nachbarort und Wohnort vieler
meiner Schulfreunde. Nach meiner Heirat 1978 mit einer Eggensteinerin wohnten
wir 22 Jahre in Leopoldshafen bis wir im Jahr 2000 in ihr elterliches Haus nach
Eggenstein gezogen sind. Meine 3 Söhne sind in Leopoldshafen groß geworden. Für
uns alle gab es noch nie ein Ortsteildenken. Wir sind
Eggenstein-Leopoldshafener und fühlen uns in beiden Ortsteilen zu Hause. Ich
danke den Herren Uebelhör und Knobloch für ihre damalige Weitsicht und hoffe,
dass die Entwicklung „meines Ortes“ so weitergeht.“
Band 2 der Geschichtsblätter von Steffen Dirschka "Im Sog der Reformen: Wege zur Gemeindefusion 1974" können im Rathaus für 3 € erworben werden.
Sie haben uns Ihre Meinung gesagt
Im Amtsblatt und auch hier hatten wir dazu aufgefordert uns Ihre Sicht auf die Gemeindefusion mitzuteilen. Lesen Sie nachfolgend einige Statements.
Wir danken für die Beiträge!
Wolfgang Knobloch, ehrenamtlicher Museumsleiter:
Scho vierzich Johr, isch des wohr?
Eggstoi un Schreck - koi Lieb, awwer Zweck!
D'Vernunft, die had g'siegd,
ma had sich jo lang g'nug bekriegd.
Mer behalde die Namme
un wachse schnell
z'amme.
S'isch heid alles normal -
bis uff de Schlagbaam am Pfinzkanal!
Mail von Rosemarie Schnürer nach eigener Aussage "als ältere Einwohnerin":
"Nach meiner Ansicht war die damalige Fusion eine
"Liebesheirat".
Meine Erfahrungen und Erlebnisse in einem Leben in meinem
Heimatort Eggenstein und dann Eggenstein-Leopoldshafen waren fast immer gut.
Schon im Kindesalter war ich oft in Leopoldshafen bei Verwandten und
Bekannten. Dann in späteren Jahren haben auch unsere Kinder dort das ehemalige
"Schröck" als Wohnsitz gewählt.
Denke auch, daß es bei einer Liebesheirat Probleme gibt,
welche dann auch immer bei Verständnis und Entgegenkommen gelöst werden
können".
Pfarrer Kendel, evangelische Kirchengemeinde Leopoldshafen:
"Da wir in Baden leben, sind wir nicht erst mit 40 Jahren klug geworden, aber vielleicht werden wir noch klüger und können die kleinen Rivalitäten und Scharmützel ganz und gar humorvoll nehmen. Ich erlebe Eggenstein-Leopoldshafen als einen Ort mit hoher Lebensqualität, mit Attraktivität, mit hohem bürgerschaftlichen und ehrenamtlichen Engagement. Ich erlebe als Pfarrer Solidarität und Hilfsbereitschaft, ich erlebe aber auch Anspruchsdenken und würde mir wünschen, dass Dankbarkeit und Kritikfähigkeit sich die Waage halten. Dann ist der Pfinzkanal ein gemeinsames Naherholungswasser und kein Trennfluss."
Rede Dr. Kendel Festabend 1.7.2014
Adolf Hauf: Fusionsvertrag - Gemeinsames Bürgerzentrum am Pfinzkanal?
Im Fusionsvertrag war vereinbart ein gemeinsames Bürgerzentrum zentral am
Pfinzkanal zu bauen. In den folgenden Jahren beschloss der Gemeinderat unter
den damaligen Machtverhältnissen eine Abkehr davon und beschloss stattdessen
den Ausbau des Eggensteiner Rathauses als Sitz der Gemeindeverwaltung. Im
Leopoldshafener Rathaus wurde neben dem Grundbuchamt lediglich ein "Bürgerbüro"
untergebracht. Als Ende der Geschichte wurde im Jahr 2013 dann das
"Bürgerbüro" in Leopoldshafen geschlossen.
Lieber Leser, wenn sie mir als "altem Schröcker" jetzt
"Ortsteil-Denken" vorwerfen, dann überlegen sie doch mal, wer hier in
den letzten 40 Jahren "Ortsteil-Fakten" geschaffen hat.
Meine Hoffnung für die Zukunft ruht auf der jüngeren Generation, die in
Eggenstein-Leopoldshafen "hineingeboren" wurde und die nach meiner
Einschätzung mit ihrem Denken und Handeln am Pfinzkanal nicht halt macht.
Brigitte Schilli:
Glaubt man den Überlieferungen alter Gemeindebürger, war die Fusion vor
40 Jahren eher eine
Vernunftehe, damit die Steuereinnahmen aus der
Atomforschung, nicht an die Stadt Karlsruhe fließen.
Vor 23 Jahren neu zugezogen, spürte man immer das große
Tabuthema Naturverseuchung durch Atomabfälle, Krebsfälle, Atomsuppe, über das
nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wurde, deren Ausmaß erst in jüngster
Zeit öffentlich wurde und bis heute wie ein Schatten über dem Wohlfühlort
Eggenstein-Leopoldshafen liegt.
In vielen anderen Bereichen menschlich und kulturell kann
ich das Zusammenwachsen als geglückt empfinden, auch wenn beiderseitige Empfindlichkeiten
hier und da durchscheinen, es ist eine Ehe mit allen Möglichkeiten für Jung und
Alt geworden.
Mein Appell: Alte und neue Gesamteinwohner sollten
zusammen ein Auge auf den Ort, die umgebende Natur und die einmaligen Rheinauen
halten, damit der Wohlfühlcharakter nicht" kommerziellen Rosinenpickern
und dem Geld zum Opfer fallen.
Karin Seidel: Mein Mann und ich sind vor fünfzig Jahren nach Leopoldshafen
gezogen. In den ersten Jahren nach der Gemeindefusion habe ich noch häufig ein
ausgeprägtes Ortsteildenken beobachtet. Mittlerweile ist dies sehr in den
Hintergrund getreten und für mich wenig spürbar. Dies schreibe ich vor allem
unserer Gemeindeverwaltung mit Bürgermeister Stober und dem Gemeinderat zu, die
sich um Objektivität und Ausgleich der Interessen bemühen. Besonders schätze
ich, dass sie immer ein offenes Ohr für die Anliegen der Bürger haben.
Günter Kast, Gemeinderat
von 1971 - 2009: Ich war als
junger Gemeinderat an den Fusionsverhandlungen beteiligt. Insofern sehe ich das
damals erzielte Ergebnis, die Vereinigung unserer beiden Gemeinden, im
Gegensatz zu den seinerzeit im Raum
stehenden Fusionsmöglichkeiten nur positiv.
Ausgesprochen gut gefällt mir auch der Name Eggenstein-Leopoldshafen,
weist er doch direkt auf die ehemals selbständigen Gemeinden Eggenstein und
Leopoldshafen hin und ist kein an den Haaren herbeigezogenes Namensgebilde wie
sie damals im Raum standen. An Attraktivität mangelt es in unserer Gemeinde nicht,
da die Vereine und Organisationen in den beiden ehemaligen Gemeinden erhalten werden
konnten. Verbesserungswünsche hinsichtlich der seinerzeitigen Fusionslösung
habe ich derzeit keine.
Mein Wunsch
an Gemeinderat und Verwaltung ist der, sich nicht über Gebühr zu verschulden.
Man muss nicht allen politischen Vorgaben sofort das Wort reden und dadurch
finanzielle Bindungen eingehen.
Manfred Will, Bürgermeister a.D.:
Sowohl im Rückblick als auch in der Vorausschau gehört der
Zusammenschluss von Eggenstein und Leopoldshafen zu den gelungenen Beispielen der damaligen Verwaltungsreform.
Als Vernunftehe gestartet hat sich das Bündnis in vielfacher Hinsicht bewährt. Die emotionsfreie Abschaffung der
unechten Teilortswahl schon vor über 30 Jahren kann als Beweis für eine
konstruktive gemeinsame Entwicklung gesehen werden. Vieles, was unsere Gemeinde
heute attraktiv und wohnenswert macht, gründet in der durch die Fusion neu
gewonnenen Stärke. Dennoch sollte der Blick der jetzt Verantwortlichen für die
interkommunale Zusammenarbeit mit Nachbargemeinden auf der Hardt im Sinne der
bei Gemeindereform verworfenen „großen Lösung“ geschärft werden. Bei aktuell gesteigerten finanziellen
Herausforderungen wie z.B. im Bereich der Schulen würde das nachhaltige
Vorteile für Alle bringen. Diese Form des Miteinander entspricht im Übrigen auch meinem
Verständnis nach Bewahrung der ortsteilbezogenen Identifikation im Sinne einer
bürgernahen Verwaltung, welche ich nach wie vor als bedeutsam ansehe.
Wir danken allen Mitwirkenden am Fusionsjubiläum für ihre Unterstützung.
Gemeindeverwaltung Eggenstein-Leopoldshafen
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